Überall und auf ausgewählten Plätzen

Wenn Wien ein Dorf in der Provence wäre, gäbe es am Stephansplatz mit größter Wahrscheinlichkeit eine Boulebahn. Aber Wien ist kein Dorf. Und in Paris wird ja auch nicht unbedingt vor dem Louvre gespielt. Wenn wir uns die Bahn am Stephansplatz also auf lange Sicht abschminken können, wo treffen sich hauptstädtische Boulistas dann, um ihrer enormen Leidenschaft nachzugehen?

Grundsätzlich sollten wir uns über eines im Klaren sein: Pétanque kann man überall spielen, solange auch nur ein Hauch von Schotter darauf liegt! Insofern sollte man als Spaziergänger*in in Wien immer auch ein wenig vorsichtig sein, denn so eine Pétanquekugel wiegt doch knapp 1 Kilo. Kreuzt man, gedankenfrei im heiteren Zwiegespräch, bar jeder Aufmerksamkeit, vor sich hinflanierend oder gar zugestöpselt mit zwei Kopfhörern tief in einen Japanischsprachkurs versunken, zufälligerweise die Flugbahn so eines Geschosses – gerade im Sinkflug aus einer Höhe von gut 8, 9 Metern absteigend, gar mit ordentlich Rückdrall gespielt – dann ja, dann – hilft auch kein schnell aufgesetzter Fahrradhelm mehr. Die Kugel ist in jedem Fall härter.

Aber keine Angst, noch ist die Zahl der ansässigen Kugelwerfer*innen überschaubar. Auch gab es bisher keine Vorkommnisse dieser Art zu vermelden und noch gilt: Man geht relativ sicher durch die Wiener Parks. Noch – denn die Zahl der Wiener Boulisten nahm gerade in den letzten Jahren extrem zu.

Der Augarten ist schön und an Wochenenden extrem eisenhaltig

Zu den Plätzen, an denen das sogenannte Anfixen (schnelles Hineinfallen in den Wahnsinn Pétanque) sehr oft beobachtet werden kann, gehört der schöne Augarten. Wunderschön im zweiten Hieb gelegen, überschattet von den beiden Flaktürmen und stets mit chillund spielsüchtigen Menschen jeden Alters gefüllt, gehört die Hauptallee seit Jahren eigentlich uns Boulistas. An sonnigen Wochenenden mit mehr als 15 Grad stößt man hier auf nie weniger als 20 von uns. Spaziergänger*innen, die davon schon wissen, umgehen die ungekennzeichneten Spielstätten deshalb weiträumig. Die anderen stehen dann oft mitten in einem Spiel und wissen nicht, ob sie nach rechts oder links, vorne oder hinten entkommen sollen. Boulistas sind aber grundsätzlich sehr entspannte Menschen und gehen in der Regel mit dieser bodenlosen Ignoranz eher gelassen um.

Das Museumsquartier ist schön und eine Stätte reinster Spielkultur

Was machen die Wiener Kugelwerfer*innen unter der Woche, sagen wir an einem Montag oder Donnerstag? Sie treffen sich an der Aloha Bar, einer kleinen Hütte im Museumsquartier, aufgestellt im Hof 8, der zwischen dem MUMOK und dem Restaurant Corbaci liegt. Sie treffen sich aber nur kurz an der Bar, packen dann relativ schleunig ihre drei Kugeln aus und begeben sich rasch auf die Bahn. Denn wenig später erschallt im Hof 8 schon der Ruf: „Auslooooosuuuuuung!“, und damit beginnt gegen 18.00 Uhr wieder einer der Sommerabende, die sich in ihrer vollen Lauheit oft bis Mitternacht erstrecken. Ja, natürlich kauft man dem Mark (Besitzer der Aloha-Bar) das eine oder andere gut gekühlte Bier ab, aber das ist tatsächlich Nebensache. Denn eigentlich geht es nur ums Spiel. Und vielleicht noch darum, den MQ-BesucherInnen, die sich am Rande der Bahn postieren, sehr lange sehr interessiert zuschauen und dann endlich fragen: „Ist das Boccia, was die da spielen?“, diesen Unwissenden, also zu erklären, dass wir nicht Boccia spielen, sondern Pétanque! EIN FÜR ALLEMAL: DAS IST PÉTANQUE UND NICHT BOCCIA, VERSTEHST DU? FRANKREICH NIX ITALIA! Natürlich ist der Ton, in dem diese Erklärung stattfindet, immer ein EXTREM freundlicher, UNBEDINGT gelassener, oft sogar ÄUSSERST einladender. Man kann ja nie wissen, ob diese wunderbaren Menschenkinder nicht nächste Woche wiederkommen und vielleicht sogar mitspielen wollen.

Der Donaupark ist schön und liegt auf der anderen Seite der Donau

Feindliches Terrain gibt es in der Welt der Boulistas nicht. Das wäre ein Widerspruch in sich. Wir sind nämlich vorbildlich friedliebend. Wir spielen nicht einmal GEGEN unsere Gegner, sondern MIT unseren Gegnern! Solange sie zum eigenen Verein gehören, zumindest. Wenn wir aber schon von anderen Vereinen reden, dann sollte man vielleicht erwähnen, dass es in Wien nicht nur die Sektion Pétanque des WSC gibt, sondern auch andere Vereine. Im Unterschied zu diesen sind wir aber der am schnellsten wachsende Verein. Die Spielstätte eines dieser anderen Vereine sind die Boulebahnen im Donaupark, ganz nahe dem Donauturm, der auch auf der anderen Seite der Donau steht. Über 20 wunderschöne Bahnen, umgeben von einem wunderschönen Park! Einfach ein Traum! Wir kommen immer wieder gerne zu Turnieren hierher und genießen das Areal, das auf der anderen Seite der Donau liegt.

Der Weghuberpark – das heimliche Trainingszentrum unserer Neubauerinnen und Neubauer

Im Weghuberpark kann man viele Denkmäler bewundern: das Raimunddenkmal, das Wildgansdenkmal, das Denkmal für den Schauspieler Adolf Lukan, den Gedenkstein zur Erinnerung an die Wiener Hilfe für Ungarn 1956 und auch das Denkmal für György Bessenyei. Im Weghuberpark kann man das Entenpaar bewundern, das sich während des Lockdowns im Frühjahr in der schmalen Wasserfläche neben der Boulebahn angesiedelt hat. Und im Weghuberpark kann man auch die hochfliegenden Eisenkugeln einiger Spieler*innen, vornehmlich aus Neubau bewundern. Es gibt zwar nur eine Bahn, auf der noch dazu nur mehr Spuren von Schotter zu finden sind, dafür lässt sich aber neben der Bahn vortrefflich spielen und im Winter dann überhaupt im herrlich tiefen Schotter eines Gastgartens, der nur im Sommer nicht beworfen wird.

Die Summerstage ist schön – und das nicht nur im Summer

Es geht ins Finale. Viele kleine Spielstätten gäbe es noch vorzustellen, aber auch der Platz im Internet kommt irgendwann an seine Grenzen, und so können wir hier nur die echten Hotspots der Wiener Pétanqueszenerie präsentieren. Und dazu gehört die Summerstage nahe der Rossauer Kaserne unbedingt. Lange Zeit geigten hier vornehmlich am Dienstagabend die Spieler*innen von BOULE iT und anderen Vereinen auf, mittlerweile haben sich darüber hinaus mehrere autonome Grüppchen eingenistet, die auch an anderen Tagen zugegen sind. Sechs wunderbare Bahnen, die von der Sektion Pétanque in Schuss gehalten werden, bieten sich hier an. Die Beleuchtung funktioniert dank eines überaus guten Geistes immer häufiger ganz tadellos, jetzt sogar im Winter, und sollte selbige einmal nicht eingeschaltet sein, dann gibt es ja immer noch die Beleuchtung der Plakatwände. Wir Boulistas sind genügsam und damit extrem ressourcenschonend.

Die Boulehalle wäre schön, und das hat seine Gründe

Wisst Ihr wovon wir in der Sektion Pétanque schon lange träumen? Von einer Halle, in der wir auch im Winter spielen können! Es stimmt schon, dass die Winter immer milder werden, und den letzten Winter haben wir tatsächlich im Freien durchgespielt. Auch diese Saison konnte uns die Kälte bisher nicht wirklich etwas anhaben. Aber ganz ehrlich, wenn du bei knapp 0 Grad Celsius eine Eisenkugel angreifst, dann hat das mit wohligem Kuscheln nichts zu tun. Nichts. Das ist einfach nur hart und natürlich auch kalt. Ganz abgesehen davon: Wenn wir international weiterkommen wollen – und das wollen wir nachdrücklich –, dann brauchen die richtig Verrückten (nahezu Leistungswilligen) unter uns eine Spielstätte, in der sie auch im Winter trainieren können. Aber schau ma mal, was die kommenden Jahre noch bringen werden! „Aufgeben tut man nur …“ (Zitat: Peter Pacult, ehemals Postbediensteter).

Text: H. Peter Friedl